Die Welt 11.4.2005
Mit einem Staatsakt wurden
am Sonntag in Weimar und der Gedenkstätte Buchenwald Überlebende und
Opfer der vor 60 Jahren befreiten Konzentrationslager geehrt.
Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigte die besondere Verantwortung
Deutschlands für ein Europa der Freiheit und der Demokratie. Die
Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit sei "Teil der nationalen
Identität" geworden und eine "bleibende moralische
Verpflichtung", sagte Schröder auf der Gedenkveranstaltung des
Bundes und der Länder, zu der rund 1000 Gäste aus aller Welt gekommen
waren, darunter über 550 ehemalige Buchenwald-Häftlinge und Veteranen
der 3. US-Armee, die das Lager am 11. April 1945 befreit hatte. Im
Deutschen Nationaltheater von Weimar würdigte der Kanzler die Überlebenden
der Lager als "Hüter authentischer und unmittelbarer Erinnerung, die
eine "ins äußerste gesteigerte Unmenschlichkeit erlebt und
erlitten" haben. "Ich verneige mich vor Ihnen, Ihren Angehörigen
und den Opfern", sagte Schröder. Deutschland werde nicht zulassen,
daß Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder eine Chance
bekämen.
Der Vorsitzende des
Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, rief dazu auf, die
Erinnerung an Verfolgung, Krieg und millionenfachen Mord an nachfolgende
Generationen weiterzugeben. Nur das garantiere, daß das Leiden aller
ermordeten und überlebenden Opfer der Kriegskatastrophe nicht gänzlich
umsonst gewesen sei. Es sei "hochgradig gefährlich", daß
Rechtsextreme inzwischen in die Mitte der Gesellschaft vorstießen. Der Präsident
des Buchenwald-Komitees ehemaliger Häftlinge, Bertrand Herz, appellierte
vor allem an die Jugend, jede Form der Ausgrenzung zu bekämpfen. Der
spanische Schriftsteller und Buchenwald-Überlebende Jorge Semprun verwies
darauf, daß es in zehn Jahren kaum noch Zeugen geben werde: "Es wird
keine unmittelbare Erinnerung mehr geben. Es wird nur noch Romanciers
geben." Der Vorsitzender des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani
Rosi, erinnerte daran, daß der Holocaust auch für die systematische
Vernichtung rund einer halben Million Sinti und Roma stehe.
Nach dem Staatsakt wurden
die Opfer des KZ Buchenwald mit einer Kranzniederlegung auf dem einstigen
Appellplatz und einem jüdischen Totengebet geehrt. Am Glockenturm des
Mahnmals erneuerte das internationale Buchenwaldkomitee den "Schwur
von Buchenwald". Überlebende hatten sich darin am 19. April 1945 zum
"Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit"
verpflichtet. DW